Leitbild Universität Karlsruhe

Date: 
Dienstag, 8. Juni 2004
Ja: 
10
Nein: 
1
Enthaltung: 
1
Beschluss: 

Das Studierendenparlament hat beschlossen:

  1. Der Prozess der Formulierung eines Leitbildes in einer Organisation dient dazu, die verschiedenen in der Organisation vorhandenen Interessen zu artikulieren, zu vergleichen und rational zu verhandeln.
  2. Hieraus ergibt sich, dass der Prozess von Anfang anöffentlich sein muss und größter Wert auf eine gleichberechtigte Beteiligung aller Betroffenen zu legen ist.
  3. Das fertige Leitbild dient dazu, allen Mitgliedern der Organisation klar vor Augen zu führen, welche Ziele die Organisation gemeinsam ausgehandelt und festgelegt hat.
  4. Hieraus ergibt sich, dass die wichtigsten Ziele, vor allem für das kommende Jahrzehnt, möglichst konkret und unmissverständlich dargelegt werden müssen. Zusätzlich ist es sinnvoll, die diesen konkreten Zielen zugrundeliegenden Prinzipien in möglichster begrifflicher Genauigkeit zu formulieren, damit das Leitbild Entscheidungshilfen auch in unvorhersehbaren Entscheidungssituationen und für seine eigene Fortentwicklung in Zukunft gibt.
  5. Gesellschaftliche Probleme wandeln sich mit der Zeit, und damit wandeln sich auch die zu bearbeitenden Aufgaben und Probleme. Es ist nicht sinnvoll, gesellschaftliche Ziele ein für allemal festzulegen. In diesem Sinne darf ein Leitbild nicht versuchen, unwandelbare Ziele zu definieren, sondern muss offen sein für eine periodische Fortschreibung.
  6. Ein Leitbild, dass diesen Grundsätzen (Berücksichtigung pluraler Interessen, öffentliche und demokratische Aushandlung, Konkretheit und begriffliche Genauigkeit, bewusste Vorläufigkeit) nicht gerecht wird, ist bestenfalls sinnleer, jedoch mit höherer Wahrscheinlichkeit kontraproduktiv. Mängel in der öffentlichen und demokratischen Aushandlung führen gewöhnlich dazu, dass sich die Mitglieder der Organisation hinterher nicht mit dem Leitbild identifizieren und ihm in der Praxis nicht folgen. Begriffliche Unklarheit und fehlende Konkretheit führen gewöhnlich dazu, dass Mitglieder der Organisation in der Meinung, dem gleichen Ziel zu folgen, faktisch dennoch gegeneinander arbeiten. Der Versuch, unwandelbare Ziele absolut zu fixieren, muss zu Unbeweglichkeit und strukturellem Konservatismus führen. Letzteres gilt sebst dann, wenn - in sich widersprüchlich - "Wandel" als ein unwandelbares Ziel unter mehreren definiert wird.
  7. Ein Leitbild in literarischer Form, d.h. in Form von Stichworten und Zitaten, ist vollkommen ungeeignet, um ausgehandelte Ziele festzuhalten. Es öffnet willkürlicher Interpretation Tür und Tor und stellt in der Praxis keine rational nachprüfbare Entscheidungshilfe dar. Allenfalls kann es dazu führen, dass die innerhalb der Organisation Handelnden sich dadurch in ohnehin schon vorhandenen Einstellungen bestätigt fühlen. Nach außen gibt sich die Organisation der Lächerlichkeit preis, weil sie damit demonstriert, an einer rationalen und präzisen Verständigung über die eigenen Ziele nicht einmal interessiert zu sein, was gerade bei einer Universität fatal wirkt.
  8. In der gegenwärtigen Form, einerseits als nichtöffentliche Aushandlung und andererseits als Formulierung in Stichworten und Zitaten, lehnt die Studierendenschaft diesen Leitbild-Prozess und diesen Leitbild-Entwurf ab. Vertreterinnen und Vertreter der Unabhängigen Studierendenschaft werden ein Leitbild in Form von Stichworten und Zitaten nicht mittragen, und die Studierendenschaft wird sich öffentlich davon distanzieren.
  9. Im Namen von StuPa und UStA wird Simone Szurmant gebeten, diesen Beschluss dem Rektorat zu übermitteln und gleichzeitig die Beteiligung an einem öffentlichen Leitbild-Prozess anzubieten.